Biologie und Ökologie
der Fledermäuse
Abstammung & Systematik
Fledertiere (Chiroptera) stammen von baumbewohnenden Insektenfressern (evt.
auch von Fruchtfressern) ab. Sie wurden bis vor kurzem in die Unterordnungen
Flughunde (Megachiroptera) und Fledermäuse (Microchiroptera) eingeteilt.
Neueste molekulargenetische Studien zeigen aber, dass die Flughunde näher
mit der Gruppe der "Hufeisennasen-Verwandten" verwandt sind, als
mit den übrigen echoortenden Fledermäusen. Daher werden die Fledermäuse
derzeit folgendermaßen unterteilt: Die Pteropodiformes umfassen die
Flughunde (1 Familie) und die Hufeisennasen-Verwandte (5 Familien), die Vespertilioniformes
die übrigen 13 Familien.
Pteropodiformes
© A. Zahn
Vespertilioniformes
© A. Zahn
Artenzahlen
- Weltweit sind aktuell über 1428 Fledermausarten (davon sind ca.
175 Arten Flughunde) aus 19 Familien bekannt (Quelle: Mammal Diversity Database, Stand Oktober 2020)
- In Europa kommen 38 Arten (inkl. 1 Flughund-Art) vor
- In Österreich gibt es derzeit 28 Fledermausarten siehe
Tabelle, möglicherweise auch noch mehr
- durch neue genetische Untersuchungsmethoden wurden in den letzten Jahren einige neue Fledermausarten entdeckt!
Körperbau (Morphologie)
Folgende charakteristische Merkmale zeichnen den Köperbau der Fledermäuse
aus:
- Fell
- Zitzen, i.R. ein Paar, z.B. Hufeisennasen zwei Paar
- stark verlängerter Unterarm sowie Mittelhand- u. Fingerknochen
- sehr dünne Knochen (die aber nicht mit Luft gefüllt sind)
- Flughaut mit Nerven, Blutgefäßen, Muskeln
- Wirbelsäule und der Schultergürtel sind fest und steif
Als
der schnellste Flieger unter den einheimischen Fledermäusen gilt
der Große Abendsegler (
Nyctalus noctula)
© D. Nill
Alter
Viele Fledermäuse überleben den ersten Winter nicht. Wenn sie ihn
jedoch überleben, können sie durchschnittlich 2-5 Jahre alt werden.
Für einzelne Individuen wurde aber sogar ein Höchstalter von bis
zu 30 Jahren nachgewiesen!
Fortpflanzung
Paarungen finden vom Herbst bis zum Frühjahr statt.
Die Weibchen speichern die Spermien während des Winterschlafes. Die Befruchtung der Eizellen erfolgt erst im Frühjahr nach dem Aufwachen aus dem Winterschlaf. Ab April - Mai finden sich die Weibchen in so genannten Wochenstuben ein, wo sie die Jungen zur Welt bringen und aufziehen.
In den Wochenstubenquartieren finden sich die Weibchen einer ganzen Region ein.
Wie alle Tiere sind Fledermäuse, wenn sie Junge haben, besonders
störungsempfindlich!
Störung unerwünscht!
© P. Angeli
Die Tragzeit beträgt je nach Fledermausart und Witterung 6-8 Wochen. Es wird meist nur ein Junges pro Jahr und Weibchen geboren, seltener gibt es Zwillinge. Die Geburten erfolgen zumeist im Juni-Juli. Bereits in der ersten Nacht fliegen die Mütter zum Jagen aus und kommen 2-4 mal pro Nacht zum Säugen zurück. Nach ca. 4-5 Wochen beginnen die Jungen zu fliegen.
Koloniegrößen
- In Österreich sind bis zu 1000-2000 Weibchen (Große Mausohren)
in einzelnen Wochenstubenquartieren anzutreffen, in der Regel sind es
jedoch viel weniger
- In Europa können bis zu 10 000 – 50 000 Individuen (Höhlen,
Winterquartiere) gefunden werden
- Weltweit sind Quartiere (Höhlen, Brücken) mit mehr als 20
Millionen Individuen bekannt geworden. Dabei handelt es sich um die größten
Land-Wirbeltierkolonien weltweit !
Jungtiere
des Großen Mausohrs (
Myotis myotis) sind bei der Geburt nackt und blind
© A. Zahn
Jungtiere
von Kleinen Hufeisennasen wiegen bei der Geburt weniger als 2 Gramm.
© P. Angeli
Quartiere
Alle heimischen Arten verbringen den Tag und den Winterschlaf in Quartieren: Sommerquartiere finden sich in und an Gebäuden (Dachböden, aber auch Spaltenquartiere) und sonstigen menschlichen Objekten (z.B. Brücken) sowie in und an Bäumen.
Winterquartiere befinden sich in unseren Breiten meist in Höhlen, Stollen, Bäumen oder auch in Holzstapel und vermutlich in Gebäuden.
Die einzelnen Arten stellen unterschiedliche Ansprüche
an ihre Quartiere. Einige leben in und an Gebäuden, andere
Arten bevorzugen Baumhöhlen. Im Winter nutzen viele
Arten Höhlen zum Überwintern. |
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© G. Reiter |
© G. Reiter |
© G. Reiter |
Winterschlaf
Heimische Fledermäuse halten Winterschlaf, da ihre Nahrung - die Insekten
- in der kalten Jahreszeit nicht mehr zur Verfügung steht. Ein echter
Winterschlaf ist durch folgende Charakteristika gekennzeichnet:
- Kontrollierte Absenkung der Körpertemperatur, meist 1-2 °C
über der Umgebungstemperatur
- Absenken von Sauerstoffverbrauch, Atemfrequenz, Herzschlagfrequenz
und Stoffwechsel
- Verengung der Gefäße; im Extremfall werden über
lange Zeit nur mehr wichtige Organe durchblutet
- die Fähigkeit, spontan und unabhängig von der Umgebungstemperatur
zu erwachen
© K. Bogon
Wenngleich der Stoffwechsel nur mehr auf Sparflamme läuft, Energie wird
trotzdem verbraucht. Um den Winter zu überleben legen sich die Fledermäuse
daher im Herbst ca. 20-30% des Körpergewichtes zusätzlich an Fettreserven
an.
Die Energiereserven der Fledermäuse sind nicht unbegrenzt und jeder Aufwachvorgang
braucht viel Energie. Wichtig ist daher, winterschlafende Fledermäuse
nicht zu stören, da dies ungeplante hohe Energieverluste mit sich bringt.
Also, winterschlafende Fledermäuse unbedingt in Ruhe lassen!
Ultraschall-Echo-Orientierung
Fledermäuse erzeugen Ultraschall-Rufe im Kehlkopf und stoßen sie über den Mund (Glattnasen) oder die Nase aus (Hufeisennasen). Die zurückkommenden Echos werden zu einem Hörbild verarbeitet.
So einfach dieses Prinzip ist, so viele technische Probleme gilt es für die Fledermäuse zu lösen, damit sie ihren Weg durch die dunkle Nacht finden und Nahrung erbeuten.
Lautbeispiele
Kleine Hufeisennase
(
Rhinolophus hipposideros)
© P. Angeli
Kleine
Bartfledermaus
(
Myotis mystacinus)
© W. Forstmeier
Großer Abendsegler
(
Nyctalus noctula)
© P. Angeli
Zwergfledermaus
(
Pipistrellus pipistrellus)
© P. Angeli
Ernährung
Alle heimischen Arten ernähren sich von Insekten und anderen Arthropoden, wie z.B. Spinnen (Ausnahmen: die Wasserfledermaus kann im Laborversuch kleine Fische fangen und der Riesenabendsegler erbeutet auch Vögel).
Weltweit gibt es Fledermausarten, die Wirbeltiere wie Kleinsäuger, Frösche, Reptilien, Vögel, andere Fledermäuse oder Fische erbeuten. Andere Arten ernähren sich hauptsächlich vegetarisch von Früchten, Blüten, Nektar, Pollen und auch Blättern.
Von Blut ernähren sich nur 3 Arten in Mittel- und Südamerika.
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